Ist der Sonnenberg berollbar? Erfahrungsbericht von Nele Marie März
Eine Bewohnerin einer Behindertenwohngruppe auf dem Sonnenberg hat unseren Stadtteil auf Barrierefreiheit getestet. Ihr Bericht:Chemnitz ist für Rollstuhlfahrer im großen und ganzen eine Barrierefreie Stadt, die trotz ihres attraktiven Charakters einige Schwachstellen aufweist, die für uns im alltäglichen Leben, mehr oder minder große und kleine Barrieren darstellen können.
Da ich, Nele Marie März, selber seit meiner Geburt auf den Rollstuhl angewiesen bin, liegt mir die Barrierefreiheit unserer Stadt und insbesondere unseres Stadtteils Sonnenberg sehr am Herzen. Mit 22 Jahren habe ich mich entschlossen, mich für die Rechte von Behinderten einzusetzen. Da es auf dem Sonnenberg drei Behindertenwohngruppen gibt, ist es mir wichtig, dass sich in unserem Viertel etwas Strukturelles verändert. Deswegen habe ich mich mit StadtHalten Chemnitz e.V. zusammengeschlossen und habe mich mit Herrn Wagner auf eine Sonnenbergtour begeben, um auf Verbesserungswürdiges im Stadtteil hinzuweisen.
Folgende Hindernisse sind für uns Rollstuhlfahrer ohne fremde Hilfe nicht oder nur schwer überwindbar. Was eine Einschränkung der Selbstständigkeit im Alltag darstellt und die Autonomie einschränkt. An nachfolgenden Beispielen können Sie sich ein Bild von den tagtäglichen Grenzen machen, die für uns fast nicht überwindbar sind.
Der Lessingplatz
Dieser Platz ist eigentlich ein Treffpunkt und Erholungsort für alle Menschen, die die Natur lieben, jedoch hat sich für uns beide ein erschreckendes Bild des Lessingplatzes präsentiert, das es unmöglich macht, diese Freizeit- und Erholungsstätte zu erreichen. Durch Barrieren in Form von unabgesenkten Bordsteinkanten wird uns dieser Ort vollständig verwehrt. Ein Zugang per Rollstuhl ist nahezu unmöglich und nicht vertretbar. Dies ist nur ein Beispiel eines Stadtviertels, das sehr viele behinderte Menschen beherbergt.
Von A nach B, Ohje !
Um zu dem Treffpunkt für behinderte Menschen, den Club Heinrich, zu gelangen, stellen sich mir mehrere Barrieren in den Weg. Es gibt auch hier nicht nur keine abgesenkten Bordsteine, nein, als Rollstuhlfahrer muss man an manchen Stellen ein hohes Risiko eingehen und mit seinem Leben spielen. Dies zeigt sich insbesondere an Zietenstrasse Ecke Gießerstraße. Dort befindet sich ein Busch, der soweit auf die Straße ragt, dass der Rollstuhlfahrer oder auch Mütter mit Kinderwagen sich im toten Winkel befinden. Das heißt, jeder ,der sich an diesem Ort aufhält, wird gezwungen, soweit auf die Straße zu treten bzw. zu fahren, dass es für die Autofahrer eindeutig zu spät ersichtlich ist.
Ein weiteres Kriterium für das Umdenken des Stadtbildes ist das Risiko, das mit Baumaßnahmen verbunden ist. Dieses Beispiel lässt sich sehr gut beschreiben, wenn man sich diese Szene durch den Kopf gehen lässt. Wir zwei sind gezwungen gewesen, auf Höhe der Zietenstraße 70 umzukehren, weil es hier zwei unüberwindbare Hindernisse in Form eines Baugerüstes und einer Straßenlaterne gibt. Herr Wagner hat versucht, mich zwischen dem Baugerüst und der Laterne hindurch zu schieben und wir haben es nicht geschafft.
Wenn ich in dieser Situation nicht die Unterstützung eines anderen Mitbürgers gehabt hätte, wäre es mir überhaupt nicht möglich gewesen umzukehren. Dass sich Gott sei Dank realisieren ließ, da ich nicht mit meinem E-Rolli unterwegs gewesen bin.
Ich möchte mit diesem Artikel ein Umdenken für den Sonnenberg erregen, weil es nicht nur junge Menschen gibt, die im Rollstuhl sitzen, sondern weil unsere Bevölkerung immer älter wird und wir die Autonomie eines jeden Menschen, jeden Alters fördern müssen.
Ich bedanke mich für die Leser und für die tatkräftige Unterstützung von StadtHalten Chemnitz e.V., ohne die dieser Artikel nicht zustande gekommen wäre. Im Namen aller behinderten und hilfsbedürftigen Menschen und Müttern mit Kindern möchte ich anregen, dass meine aufgezeigten Beispiele nicht ignoriert werden und bei zukünftiger Stadtplanung mit einbezogen wird. Bitte helfen Sie, dass sich jeder autonom und ohne Barrieren bewegen kann.
Nele Marie März, Chemnitz, 13. Mai 2014
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