Künstler auf dem Sonnenberg: Sebastian Schilling (*1981)
Den ersten Tonkünstler dieser Artikelreihe treffen wir in der Markuskirche.
Sebastian Schilling ist gebürtiger Karl-Marx-Städter. Schon als 15-Jähriger lernte er Klavier, Orgel, Chorleitung und Dirigieren. Kurz vor dem Musikabitur im März 1999 wurden die „1. Chemnitzer Schultheatertage“, die in diesem Jahr das 16. Mal stattfanden, mit einer Aufführung der Dreigroschenoper im Schauspielhaus unter seiner musikalischen Leitung eröffnet. In Halle und Dresden studierte er Kirchenmusik und arbeitete freischaffend, bis er im Januar 2006 die gemeinsame Kirchenmusikerstelle der Gemeinden St. Markus Sonnenberg und Trinitatis Hilbersdorf übernahm.
Beziehung zum Sonnenberg?
Als sich auch Sebastian Schillings privater Schwerpunkt nach Chemnitz verlagerte, fiel vor knapp drei Jahren schnell die Entscheidung, von Dresden in die Pestalozzistraße zu ziehen. „Zentral und reich an schönen architektonischen Erinnerungen an die Blütezeit der Stadt“, so beschreibt er das Viertel: „Vom Sofa aus blicken wir auf die Turmuhr, wir haben die größte Standuhr, die mit ihrem Schlagen dem Tag eine schöne Struktur verleiht.“ Als ambivalent empfindet er jedoch den Anblick des „menschlichen Elends“, wenn Leute die Zeit auf dem Körnerplatz mit Biertrinken verbringen.
Wie sieht es im Atelier aus?
In der riesigen Kirche steht die Orgel mit den prächtigen silbernen Pfeifen auf der höchsten Empore. Der Blick fällt auf Backstein, kunstvoll geschmiedete Lampen, oben alte Kirchenbänke und unten die modernen beweglichen Stühle. Schilling erzählt: „Die Kirche ist bald 120 Jahre alt und das höchste Gebäude in Chemnitz. Gebaut für 30.000 Gemeindeglieder, gehören heute noch 1.000 hier zur evangelischen Kirche. Am Ende der DDR-Zeit war das Gebäude baupolizeilich geschlossen und sollte abgerissen werden. Mit viel Elan und großzügiger Hilfe wurde es saniert und vor fast zwanzig Jahren wieder eröffnet. Die Vermietung für Veranstaltungen trägt zu den Unterhaltskosten bei.“ Ihn beschäftigt nicht nur die Musik, sondern auch die Zukunftsfragen, wie es mit der Kirche und der Musik angesichts sinkender Zahlen weiter geht. „Gute Werbung ist alles“, weiß er, und dazu sei eigentlich sein Arbeitsplatz überall, wo er seinen Laptop abstellt oder sein I-Pad oder Handy aus der Tasche holt.
Anders als zu Zeiten Johann Sebastian Bachs seien Kirchenmusiker heute fast immer sowohl Organisten als auch Kantoren. Schilling leitet den Kirchenchor, den Posaunenchor, die „Löwenkinder“, eine Gruppe mit musikalischer und religionspädagogischer Arbeit, und kümmert sich um Auftritte und Konzerte. „Das Musizieren im Gottesdienst ist am wichtigsten“, erklärt er. „Ich bin froh und dankbar, den reichen Schatz der Musik auszuüben, der mir und anderen Freude, Trost und Lebenskraft gibt“, sagt er.
Dann erklärt er die Orgel. Die zwei Reihen Tasten für die Hände, das Manual, und die Holztasten für die Füße, das Pedal schaffen zusammen mit 45 Registern unendliche Kombinationsmöglichkeiten. „Beim Klavier drückt ein Finger eine Taste und erzeugt einen Ton. Mit den Registern können mit einem Tastendruck viele Töne zugleich erzeugt werden.“ Und die auch noch in verschiedenen Klangfarben, etwa wie Flöten oder Streicher. „Im 19. Jahrhundert wurde die Orgel ein Ein-Mann-Orchester.“ Er erklärt und spielt Beispieltakte. Doch, Überraschung: Die Orgel ist nicht echt. Die alte war komplett marode. Eine neue würde heute rund 1,5 Mio. Euro kosten. Während der Sanierung erfuhr ein Gemeindeglied von digitalen Kirchenorgeln. So stehen heute hinter den restlichen Orgelpfeifen vier große Lautsprecher – und auch Profimusiker haben schon den schönen Klang gelobt.
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